Aktueller Stand (Juni 2022):

Wir haben eine Antwort der Landesregierung erhalten. Dort heißt es wörtlich, dass “keine Neubewertung” der “dargelegten Fälle” erfolgen kann. Mit der Antwort haben wir auch ein Gesprächsangebot bekommen. Ein erstes Gespräch hat im Sommer 2022 stattgefunden.

Wir sind also im direkten Dialog und bleiben weiter dran!


An: 
Ministerpräsidentin Malu Dreyer

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer,

in Rheinland-Pfalz gibt es drei rechte Morde, die von der Bundesregierung und vom Land Rheinland-Pfalz bisher nicht als Taten rechter Gewalt anerkannt sind. Initiativen vor Ort erinnern an diese Taten – in den bundesweiten Statistiken sind die Morde jedoch unsichtbar und damit nicht Teil unseres gesellschaftlichen Gedächtnisses.

Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Dreyer, es geht uns um mehr als nur um die Statistik und aus unserer Sicht besteht Handlungsbedarf!

Eine Anerkennung als Todesopfer rechter Gewalt ist wichtig, um der Geschichte der Opfer und ihrem Umfeld Respekt entgegenzubringen. Auch dürfen die gesellschaftlichen und politischen Umstände nicht in Vergessenheit geraten.

Im Kampf gegen Rechtsextremismus ist eine offizielle Anerkennung der Taten ein wichtiger Baustein: Die Taten dürfen nicht entpolitisiert und menschenverachtendes Gedankengut nicht verharmlost werden. Unterstützen Sie uns, auf Landes- und Bundesebene das Fortzuführen, was bereits vor Ort geleistet wird.

Der Fall aus Koblenz und wer wir sind
Die Initiative Kein Vergessen gründete sich 2011, um an den Mord an Frank Bönisch zu erinnern, der am 24.08.1992 von einem Neonazi in Koblenz erschossen wurde, weitere Menschen wurden angeschossen. Zu diesem Zeitpunkt war der Mord weitgehend vergessen worden, nichts erinnerte an die Tat. Wir beschlossen, dies zu ändern und setzten uns mit Unterstützung von vielen Organisationen für einen Gedenkstein ein. Der Stadtrat schloss sich parteiübergreifend diesem Anliegen an und ein Gedenkstein in der Innenstadt wurde 2013 verlegt.

Seitdem setzen wir uns jährlich mit einzelnen Veranstaltungen oder auch einer kleinen Veranstaltungsreihe mit dem Mord an Frank Bönisch und den gesellschaftlichen Zusammenhängen auseinander. 

Der Anschlag auf den Koblenzer Zentralplatz war kein Zufall: Frank Bönisch galt als „Alternativer“, der Ort der Tat war Treffpunkt für Wohnungslose, Punks und Drogenkonsument:innen.
Zeitgleich zu den rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen beschloss der Koblenzer Neonazi Andy H., auch in seiner Heimatstadt „loszuschlagen“. In Koblenz ist es gesellschaftlicher Konsens, dass es sich bei dem Mord an Frank Bönisch um eine rechtsextreme Tat handelt. Schon kurz nach dem Anschlag gab es in Koblenz große Demonstrationen, an denen sich 1992 weit über 1000 Menschen beteiligten.

Doch wenn die Bundesregierung zu Todesopfern rechter Gewalt befragt wird, wird Frank Bönisch nicht genannt. Dies ist ebenso bei zwei weiteren rechten Morden aus unserer „Nachbarschaft“ der Fall.

Weitere Fälle in Rheinland-Pfalz
Am 28.12.1990 wurde der 17-jährige kurdische Flüchtling Nihad Yusufoglu in Hachenburg von einem gleichaltrigen Nazi-Skinhead in der Nähe seines Elternhauses erstochen. Der Auseinandersetzung waren wochenlange rassistische Diskriminierungen vorausgegangen, denn eine rechtsextreme Jugendgruppe hatte ihren Treffpunkt in einem Parkhaus direkt gegenüber dem Wohnhaus der Familie Yusufoglu.


In der Nacht vom 31.07 zum 01.08.1992 wurde der Wohnungslose Dieter Klaus Klein von zwei Neonazis in Bad Breisig mit einem Kampfmesser niedergestochen und brutal zusammengeschlagen. Dieter Klaus Klein hatte im Stadtpark geschlafen und sich den Krach verbeten, als die beiden Neonazis rechte Parolen riefen.


In allen drei Fällen konnte die Polizei schnell die Täter ermitteln. Die Täter wurden vor Gericht verurteilt. Jedoch wird keiner dieser drei Morde in Statistiken der Bundesregierung aufgeführt, also bisher staatlich nicht anerkannt. Zivilgesellschaftliche Initiativen hingegen führen die Morde an Nihad Yusufoglu, Dieter Klaus Klein und Frank Bönisch an.

Auch vor Ort ist der Hintergrund der Morde anerkannt, in Koblenz, Hachenburg und Bad Breisig arbeiten Initiativen zu den Morden. Lokalpolitik und Zivilgesellschaft haben sich dafür entschieden, Gedenktafeln an zentralen Orten anzubringen, um an die Morde erinnern und die Hintergründe der Taten zu benennen.

Unabhängige Recherchen, wie etwa jene der Amadeu-Antonio-Stiftung, listen auch noch einen weiteren Verdachtsfall in Rheinland-Pfalz auf: 2003 kamen in Kandel zwei griechische Arbeiter bei einem Brand ums Leben.

Unser Anliegen
Unser Anliegen an Sie, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin: Setzen Sie Sich dafür ein, dass auch aus Rheinland-Pfalz Namen von Opfern rechter Gewalt nach Berlin übermittelt werden!
Des Weiteren halten wir es für den richtigen Zeitpunkt, Verdachtsfälle ab 1990 durch eine unabhängige Kommission zu überprüfen! In diese Kommission sollten wissenschaftliche und zivilgesellschaftliche Expertisen einfließen.


Sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin Dreyer, es ist an der Zeit, dass in Rheinland-Pfalz nicht nur gegen den aktuellen Rechtsextremismus Flagge gezeigt wird, es ist auch an der Zeit, die Opfer rechter Gewalt ab 1990 beim Namen zu nennen!


Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie unser Anliegen unterstützen, damit die Bundesregierung bei der nächsten Anfrage auch die Namen von Frank Bönisch, Nihad Yusufoglu und Dieter Klaus Klein anführt. 

Mit freundlichen Grüßen
Initiative Kein Vergessen Koblenz